Nur Ronaldo ist mit sich zufrieden

Der Weltfußballer des Jahres erzielt im Champions-League-Spiel zwischen Real und Borussia zwar das entscheidende 2:1, dennoch wirkt er erneut lustlos. Trainer Del Bosque glaubt mittlerweile, dass sein Star nicht in die Mannschaft passt

aus Madrid REINER WANDLER

„Es war noch nie so leicht, in Madrid etwas zu machen.“ Der Satz des Abends kam von Matthias Sammer, und der Trainer von Borussia Dortmund war sich da ganz sicher. Wahrscheinlich klang der Nachsatz auch deshalb enttäuscht. „Dennoch ist es uns nicht gelungen“, stellte Sammer fest. Zwar war die Borussia nach einer halben Stunde per Koller-Konter in Führung gegangen, danach aber waren die Gäste dem Druck der Madrider einfach nicht gewachsen. Zunächst stichelte der überragende Raúl kurz vor der Halbzeitpause den Anschlusstreffer ins Tor, zehn Minuten danach passte Zinedine Zidane den Ball genau vor Ronaldos Füße. 2:1 – es war die Entscheidung im Champions-League-Spiel zwischen dem Titelverteidiger und der Borussia aus Dortmund.

„Wir haben zeitweise die Nerven verloren“, musste Sammer später eingestehen. Die junge Elf aus dem Pott war dem ständigen Druck und der Routine der Königlichen nicht gewachsen. Es reichte nicht, „Nadelstiche nach vorn zu setzen“, wie der Borussen-Coach erkennen musste. Roberto Carlos, Zidane, Figo und immer wieder Raúl – die Stars wissen einfach, wann es darauf ankommt. „Real ist individuell einfach zu gut“, sagte Sammer.

Dabei scheint das Real der großen Namen die schwächste Mannschaft seit langem. In der Champions League will den Weißen nur wenig gelingen, der Sieg gegen Dortmund ist der erste seit sieben Spielen. Noch nie hat Madrid eine so schlechte Vorrunde gespielt wie in dieser Saison: Zwei Siege, drei Unentschieden, zwei Niederlagen hieß die Bilanz vor dem Spiel gegen Dortmund.

Große Namen machen eben nicht immer eine große Elf. Real-Trainer Vicente del Bosque weiß das – und er weiß um den Schwachpunkt seines Teams. „Alle Spieler gehen in der Mannschaft voll auf – bis auf einen“, platzte dem ansonsten so besonnenen Coach bereits vor einer Woche der Kragen. „Einer ist anders als die anderen. Und das ist Ronaldo“, wetterte er da.

Was Del Bosque damit meint, wurde auch gegen Dortmund wieder deutlich. Schon beim Warmlaufen sonderte sich der Brasilianer ab. Er macht seine Dehnübungen lustlos und abseits der restlichen Mannschaft. Auch im Spiel zeigte der Weltfußballer des Jahres alles andere als seine alte Hochform. Kämpfte er sich früher mit dem Ball schnell und geschickt gleich an mehreren gegnerischen Spielern vorbei, schaut er sich heute unbeholfen um – und schiebt den Ball lieber weiter, oftmals sogar nach hinten. Hinzu kommt, dass Ronaldo auch gegen Dortmund den größten Teil des Spiels eher gelassen über den Platz schlenderte, während sich sein Stürmerkollege Raúl um jeden Ball bemühte. Solch laxe Arbeitseinstellung Ronaldos bleibt nicht ohne Folgen: Keiner wird bei Real Madrid so oft ausgewechselt wie er. Auch am Mittwoch holte der Trainer den Brasilianer in der 74. Minute vom Platz – obwohl er zuvor das 2:1 geschossen hatte.

„Ich bin zufrieden, dass ich einmal mehr den Treffer gemacht habe, den die Mannschaft zum Sieg brauchte“, erklärte Ronaldo nach dem Spiel. Dabei war ihm das Tor, wie schon oft zuvor, förmlich auf den Fuß gefallen – in Form eines exakten Passes von Zinedine Zidane. Auf von Ronaldo selbst erkämpfte Bälle warteten Fans wie Trainer hingegen einmal mehr vergebens.

Die zur Schau gestellte Lustlosigkeit hat freilich eine Vorgeschichte: Trainer Del Bosque war von Ronaldo noch nie begeistert. Als Vereinspräsident Florentino Pérez den Brasilianer im August für 45 Millionen von Inter Mailand loskaufte, überraschte dies den Fußballlehrer von Real doch sehr. Der Coach hatte Bedarf an einem Verteidiger angemeldet, stattdessen bekam er nun einen Stürmer mehr, obwohl er schon genügend auf der Bank sitzen hatte. „Ronaldo ist der Inbegriff des Geschäfts und er ist potenziell effektiv“, analysierte die größte spanische Tageszeitung El País, warum Präsident Pérez den Brasilianer kaufte – und warum er trotz schlechter Leistung weiterhin gehätschelt wird.

Das entscheidende Tor gegen die Dortmunder Borussia hat freilich Ronaldo geschossen. Und bei Matthias Sammer damit die Erkenntnis reifen lassen, dass seine Mannschaft „nicht abgeklärt und nicht ausgebufft genug“ agiert hatte, um möglich zu machen, was an diesem Abend von Madrid möglich gewesen wäre – und das so leicht wie nie zuvor.